Es war einmal ...


... ein kleines geschütztes Reich, gar nicht mal so weit von hier. Und wie in jedem Reich, gab es dort einen Herrscher. Und wie es das Wort ja schon so schön sagt, war es ein Herr und dieser Herr war herrisch. Er wurde nicht gewählt, auch nicht erwünscht, er war einfach eines schönen Tages da. Denn der frühere König war weg. Vertrieben von intrigenspinnenden und bösen Mächten.
Es verging kein Tag, da schwänzelte schon der Hofnarr um ihn rum und strich ihm Honig ums Maul. Doch er begann einen Fehler, meinte zu glauben, er könne Nutzen daraus gewinnen, als dessen Berater zu fungieren. Besser wär er bei seiner Aufgabe geblieben: Die Kritik an der Macht, dabei die Narrenfreiheit zu Nutze gemacht und dem Herrscher stets ein Mahnmal, damit er auch auf dem richtigen Wege blieb.
Wie ein Tornado fegte der Herrscher schon bald durch die alten Gemäuer. Gab Befehle, verordnete neue Gesetze. Reichlich wenig kümmerte ihn der einfache Geselle. Das Volk hegte den Wunsch, ihn zu erblicken, zu erfahren, wer denn da nun an der Spitze sass. Doch das kümmerte ihn reichlich wenig.
Verwirrung und Unsicherheit überzog das Reich. Die Heerführer taten was ihnen geheissen, hofften auf Wohlstand und mehr Freiheiten. Ahnten nicht, dass ihr Herrscher keine Berater wünschte. Denn dieser wusste es besser, denn schliesslich war er der alleinige Herrscher.
Es war keine einfach Zeit, für niemanden, denn Krankheiten zogen durch die Landen. Glücklich war, der verschont bliebe. Unser kleines Reich wurde geschützt, abgetrennt und sogar verbarrikadiert. Sie harrten aus und blickten besseren Zeiten entgegen. Auf dass sie bald kämen.
Beinahe hätten wir noch etwas vergessen. Eine Person, nicht von Rang und Adel, aber dennoch wichtig, bemüht, dass es den Herren und auch Damen an nichts mangelte. Geschätzt und unterstützt vom früheren König, war sie es, die sich um das Wohlergehen jedes Einzelnen sorgte. Sie war es, die frohe Kunde durfte verbreiten und auf Feste einladen. Doch der neue Herrscher wusste nichts anzufangen mit ihr. Zu eigenwillig und schwierig war sie ihm. Und so kam es, dass sie immer mehr in ihrem stillen Kämmerchen sass. Beinahe vergass, was ihre Aufgabe war und alten Zeiten nachweinte. Eines Tages versuchte sie den alten Mantel abzuwerfen, wieder zu frohlocken und die neu aufgetragene Aufgabe brav zu erfüllen. Doch dabei erblickte sie den wahren Kern des Herrschers. Erkannte die Dunkelheit in ihm. Hämisch starrte diese ihr entgegen, ohne Scham und Erstaunen, entblößt zu sein. Ihr Schrecken war groß, die Verzweiflung wuchs. War sie die Einzige, die es sah? Wer sonst ahnte es? Sie wusste, dass ein Kampf keinen Sieg für sie davontragen würde. Die Niederlage war ihr bereits erlassen. Und so kam es, dass sie ihrem Ende entgegenblickte und dieses kam früher als gedacht. Diesen stillen Kampf hatte sie verloren. Und so nahm sie denselben Weg, wie einst ihr früherer König. Doch nicht als gebeuteltes Tier, sondern mit erhobenem Haupt. Musste Freunde und geschätzte Menschen zurücklassen. Ausgesetzt einem selbstsüchtigen und machthungrigen Herrscher. Sie tröstete sich mit der Hoffnung, dass es den Gefährten in naher Ferne an nichts mangelte. Dass Reichtum und Wohlergehen sie beglückten.
Einige Monate waren ins Land gezogen, der Winter schon fast wieder Geschichte. Da kam es, dass unsere Vertriebene, längst getröstet und beinahe vergeben, auf ein Neues die Tentakel des eigenwilligen Herrschers zu spüren bekam. Sie reichten weit, man glaube es kaum. Und gleichzeitig war die Sorge über die lieben Menschen im kleinen Reich wieder erwacht ... Doch schnell erkannte sie, das war nicht mehr ihr Krieg. Was einst begraben, soll ungerührt dort liegen bleiben. Den Handlanger mit der schlechten Kunde, von der Narretei des Herrschers mit weisen Worten überzeugt, jubelte sie schon bald über den verdienten Sieg. Und nun war es für sie Zeit, von dannen zu ziehen. Schwert und Schild allzeit bereit, jedoch gesenkt und dem Frieden entgegenblickend. Gestärkt und bestätigt, auf der Suche nach ihrem eigenen kleinen Reich.

Und wenn sie noch nicht fündig geworden ist ... sucht sie halt weiter.

Nein, ich hab nicht mein Genre gewechselt. Ich schreibe jetzt keine Märchen. Diese Geschichte ist jemandem gewidmet. Den Namen hier nicht genannt, aber dem einen oder anderen bekannt.

15.02.2022